Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Praxis

Der demente Herr Hartmann kommt mit seiner Tochter in die Sprechstunde. Er hat eine Analfistel, die eine Operation erforderlich macht. Der Arzt erklärt Herrn Hartmann mit den üblichen Fachtermini die Lage. Der schaut ratlos. Der Arzt redet daraufhin lauter, der Patient reagiert ängstlich. Schließlich wendet sich der Arzt der Tochter zu, die auch als Betreuerin eingesetzt ist. Denn er meint, dass Herr Hartmann ihn nicht versteht und daher auch nicht in die Behandlung einwilligen kann. Der Patient weiß am Ende nicht, welche Diagnose gestellt und welche Therapie besprochen wurde.

Solche und ähnliche Situationen spielen sich immer wieder in Arztpraxen ab. Da kommt eine 15-jährige Patientin ohne ihre Eltern in die Sprechstunde und möchte sich gegen COVID-19 impfen lassen. Ein angetrunkener Mann mit einer Platzwunde am Kopf wird von Passanten in die Praxis gebracht, lehnt aber eine Wundversorgung ab. Ein 35-jähriger Patient mit Trisomie 21 benötigt einen Blutdrucksenker und muss aufgeklärt werden. Oder die 84-jährige Patientin mit Rheuma und großflächigen Ablederungen der Haut aufgrund eines Sturzes sagt unumwunden: „Ich gehe auf keinen Fall ins Krankenhaus!“ Wie sollen Ärztinnen und Ärzte mit diesen Patienten umgehen? Wie können sie sicherstellen, dass die Patientinnen und Patienten die Aufklärung verstehen? Müssen Ärzte unvernünftige Entscheidungen akzeptieren? Und: Können überhaupt alle Patienten selbst entscheiden?

Patient muss in Behandlung einwilligen

Grundsätzlich muss jeder Patient vor einer Behandlung in diese einwilligen (§ 630d Bürgerliches Gesetzbuch – BGB). Eine ohne Einwilligung vorgenommene Heilbehandlung oder Medikamentengabe stellt eine Körperverletzung dar, selbst wenn sie indiziert ist und der Arzt sie lege artis durchführt. Hat der Patient wirksam in die Heilbehandlung eingewilligt, entfällt die Strafbarkeit des Arztes, die Körperverletzung ist gerechtfertigt. Doch wirksam einwilligen kann der Patient nur, wenn er zuvor korrekt aufgeklärt wurde.

Keine wirksame Einwilligung ohne vorherige Aufklärung

Dazu muss der Patient rechtzeitig wissen, was medizinisch mit ihm, mit welchen Mitteln und mit welchen Risiken und Folgen geschehen soll. Zu den Aufklärungspflichten des Arztes im engeren Sinn zählt nach § 630e Abs. 1 BGB unter anderem die Aufklärung über

  • den ärztlichen Eingriff (auch Risikoaufklärung genannt) und
  • Behandlungsalternativen.

Der Behandelnde ist verpflichtet, den Patienten über sämtliche für die Einwilligung wesentlichen Umstände aufzuklären. Dazu gehören vor allem Art, Umfang, Durchführung, zu erwartende Folgen und Risiken der Maßnahme sowie ihre Notwendigkeit, Dringlichkeit, Eignung und Erfolgsaussichten im Hinblick auf die Diagnose oder die Therapie. Es geht also darum, den Patienten über die Art und Schwere des Eingriffs aufzuklären. Bei der Aufklärung müssen Ärzte auch auf Alternativen zur Maßnahme hinweisen, wenn mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Methoden zu wesentlich unterschiedlichen Belastungen, Risiken oder Heilungschancen führen können.

Worüber muss ein Arzt den Patienten aufklären?

Zu einer korrekten Aufklärung gehört nach § 630c BGB auch die Information des Patienten über die Therapie (therapeutische Aufklärung oder auch Sicherungsaufklärung genannt) sowie über Behandlungsfehler, falls der Arzt einen solchen erkennt, und die Kosten der Behandlung (wirtschaftliche Aufklärung). Die sogenannte therapeutische Aufklärung soll den Behandlungserfolg sicherstellen und den Patienten vor Verhalten schützen, das diesen Behandlungserfolg gefährdet. Sie betrifft also sein Verhalten vor und nach der Behandlung.

Warum Ärzte sich verständlich ausdrücken müssen

Die Aufklärung muss immer mündlich erfolgen und ist eine Aufgabe, die der Arzt nicht delegieren kann. Der Patient muss dabei die Möglichkeit haben, Fragen zu stellen. Der Arzt muss sich einen Eindruck davon verschaffen können, ob der Patient verstanden hat, worum es geht. Er muss sich im Aufklärungsgespräch gleichzeitig die größte Mühe geben, dass der Patient ihn versteht. Das schreibt der Gesetzgeber explizit vor (§ 630e Abs. 2 Nr. 3 BGB). Er muss verständlich sprechen – sowohl sprachlich als auch inhaltlich.

Bei der Aufklärung vermittelt der Arzt dem Patienten also eine Menge Informationen. Doch kann der Patient diese überhaupt erfassen und richtig einordnen? Kann er eine Entscheidung treffen? Mit anderen Worten: Ist er einwilligungsfähig? Diese Beurteilungsfragen bereiten in der Praxis immer wieder Schwierigkeiten.

Einwilligungsfähigkeit ist grundsätzlich gegeben

Die Einwilligungsfähigkeit hat nicht nur eine rechtliche Komponente, sondern auch eine tatsächliche: Der Arzt muss den Patienten hinsichtlich der Einwilligungsfähigkeit beurteilen. Daraus können sich rechtliche und ethische Probleme ergeben, zum Beispiel dann, wenn der Patient fälschlicherweise als nicht einwilligungsfähig eingestuft wird. Denn dann setzen sich Arzt, Betreuer oder Vertreter über den Willen des Patienten hinweg. Aber auch der umgekehrte Fall, dass der Patient fälschlicherweise für einwilligungsfähig gehalten wird, ist problematisch. Denn möglicherweise willigt er in etwas ein, das er gar nicht erfassen konnte. Beides stellt einen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht des Patienten dar.

Grundsätzlich gilt jeder erwachsene Patient als einwilligungsfähig, soweit nicht festgestellt wird, dass seine Einwilligungsfähigkeit im konkreten Fall trotz adressatengerechter Aufklärung nicht gegeben ist. Das heißt, der Arzt kann im Normalfall von der Einwilligungsfähigkeit seiner volljährigen Patienten ausgehen. Die Feststellung, ob ein Patient einwilligungsfähig ist, ist eine Ja- oder Nein-Entscheidung. Ein bisschen einwilligungsfähig gibt es nicht. Einwilligungsfähig ist ein Patient nach deutschem Recht, wenn er auf der Grundlage der ärztlichen Aufklärung

  • die Bedeutung, Tragweite und die Risiken der ärztlichen Maßnahme erkennen und verstehen kann (Einsichtsfähigkeit) und
  • sich darüber ein eigenes Urteil bilden, also das Für und Wider abwägen kann und auf dieser Basis eine eigene Entscheidung treffen sowie diese Entscheidung auch umsetzen kann (Steuerungsfähigkeit).

Ressourcenorientierte Aufklärung ist wichtig

Aufklärung und Einwilligungsfähigkeit sind untrennbar miteinander verknüpft. Die Verpflichtung des Arztes, den Patienten aufzuklären, besteht unabhängig von dessen möglicher Einwilligungsunfähigkeit. Auch nicht einwilligungsfähige Patienten sind aufzuklären und in die Behandlungsentscheidung einzubinden. Durch eine adressatengerechte Aufklärung kann der Arzt die Einwilligungsfähigkeit in vielen Fällen sogar erst herstellen. Er muss also alles tun, damit der Patient die Einwilligung möglichst selbst erteilen kann, also ressourcenorientiert aufklären (siehe Kasten unten). So kann er zum Beispiel bei Patienten mit Demenz oder behinderungsbedingten intellektuellen Defiziten durch eine einfache Sprache die Schwelle zur Einwilligungsfähigkeit überschreiten.

Wann ist eine Einwilligung wirksam?
  • Die Einwilligungsfähigkeit des Patienten muss gegeben sein. Einwilligungsfähig ist, wer Wesen, Bedeutung und Tragweite der infrage stehenden Maßnahme erfassen, das Für und Wider abwägen und auf dieser Basis eine Entscheidung treffen kann.
  • Die Einwilligung muss frei erfolgen. Sie darf nicht auf Zwang oder Druck beruhen.
  • Der Patient muss hinreichend aufgeklärt sein. Die Aufklärung muss sachgerecht, umfassend und in einer für den Patienten verständlichen Form erfolgen.
Entscheidungsfähigkeit fördern, ressourcenorientiert aufklären
Die Zentrale Ethikkommission bei der Bundesärztekammer hat bereits 2016 die Stellungnahme „Entscheidungsfähigkeit und Entscheidungsassistenz in der Medizin“ verfasst, in der sie das Konzept der sogenannten Entscheidungsassistenz präferiert. Es beinhaltet Verfahren, die eingesetzt werden können, um die Entscheidungsfähigkeit von Patienten zu fördern, und knüpft an die heute weltweit anerkannten Anforderungen der informierten Einwilligung (informed consent) an. Entscheidungsassistenz wird dann als sinnvoll erachtet, wenn Bedingungen vorliegen, die vermuten lassen, dass ein Patient in seiner Entscheidungsfähigkeit oder der Mobilisierung seiner Ressourcen für die Entscheidungsfähigkeit beeinträchtigt ist und kommunikative Hilfestellungen dazu beitragen könnten, diese Ressourcen zu mobilisieren. So kann man medizinische Fragestellungen in einfache, den Patienten nicht überfordernde Sprache übersetzen oder den Patienten darin unterstützen, besser mit seinen Ängsten umzugehen, und ihn befähigen, zwischen den Behandlungsoptionen eine Wahl zu treffen. Dazu können im Idealfall etwa psychologische oder psychiatrisch geschulte Entscheidungsassistenten zum Einsatz kommen.

Schritt für Schritt zur richtigen Einschätzung

Haben Ärzte Zweifel an der Einwilligungsfähigkeit eines Patienten, müssen sie genauer hinsehen. Welche Unterschiede zur Geschäftsfähigkeit bestehen, wie Ärzte die Einwilligungsfähigkeit richtig beurteilen können und warum sie auch unvernünftige Entscheidungen des Patienten akzeptieren müssen.

Die Einwilligungsfähigkeit ist nichts Fixes, sondern dynamisch. Sie ist abhängig von der Komplexität der Entscheidung und vom jeweiligen Zeitpunkt. Sie muss daher immer in der konkreten Situation für die konkrete Behandlung geprüft werden. Die Beurteilung kann zu einem anderen Zeitpunkt und für eine andere Behandlung anders ausfallen. Das macht die Einschätzung so schwierig.

Einwilligungsfähigkeit ist nicht gleich Geschäftsfähigkeit

Die Einwilligungsfähigkeit ist abzugrenzen von der Geschäftsfähigkeit. Diese bezeichnet die Fähigkeit, selbstständig wirksame rechtsgeschäftliche Willens­erklärungen abgeben zu können oder zu empfangen. Geschäftsunfähig sind nach der juristischen Definition Kinder unter sieben Jahren und dauerhaft Geisteskranke. Kinder und Jugendliche zwischen 7 und 18 Jahren sind beschränkt geschäftsfähig. Sie benötigen grundsätzlich die Zustimmung der Eltern oder Sorgeberechtigten für den wirksamen Abschluss von Rechtsgeschäften. Auch Personen, die unter Betreuung stehen, sind beschränkt geschäftsfähig. Die unbeschränkte oder volle Geschäftsfähigkeit erreicht man mit 18 Jahren.

Bei der Einwilligungsfähigkeit von Jugendlichen kommt es laut Bundesgerichtshof dagegen darauf an, ob der Jugendliche nach seiner geistigen und sittlichen Reife die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs und seiner Gestattung zu ermessen vermag. Der Minderjährige muss also eine eigenständige Nutzen-Risiko-Abwägung vornehmen können. Der Beginn der Einwilligungsfähigkeit ist nicht an ein Mindestalter geknüpft. Die herrschende Meinung geht davon aus, dass Minderjährige unter 14 Jahren nur in Ausnahmefällen einwilligungsfähig sind. Der Arzt muss also vor der Behandlung oder Verordnung eines Medikaments im Rahmen des Aufklärungsgesprächs in jedem Einzelfall einschätzen, ob der Minderjährige bereits selbst einwilligungsfähig ist, und die Anhaltspunkte dafür gut dokumentieren. Hat er Zweifel an der Einwilligungsfähigkeit, muss er die Eltern einbeziehen. Dabei gilt:

  • Bei Routineeingriffen braucht nur der anwesende Elternteil einzuwilligen.
  • Bei mittelschweren Eingriffen ist der anwesende Elternteil aufzuklären und zu fragen, ob auch der abwesende Elternteil seine Einwilligung erklärt hat. Wenn ja, darf der Arzt von einer wirksamen Einwilligung ausgehen.
  • Bei schweren Eingriffen müssen beide Sorgeberechtigten erscheinen und ihre Einwilligung erklären.

Da jedoch die Sorgeberechtigten nur mittelbar von der Entscheidung betroffen sind, die Minderjährigen aber unmittelbar, sollten bereits Kinder ab sieben Jahren immer altersgerecht mit aufgeklärt werden.

Gibt es konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Einwilligungsfähigkeit eines volljährigen Patienten fehlen könnte, muss der Arzt sie prüfen. Verschiedene Faktoren können Einfluss auf die Einwilligungsfähigkeit haben, zum Beispiel eine Demenz, psychische Erkrankungen wie eine Depression oder eine bipolare Störung, aber auch Alkohol und Drogen. Das Vorliegen solcher Faktoren ist aber für sich genommen kein Grund, dem Patienten die Einwilligungsfähigkeit per se abzusprechen. So kann je nach Alkoholgewöhnung auch ein Patient mit erheblicher Alkoholisierung in eine medizinische Maßnahme einwilligungsfähig sein.

Patienten dürfen auch unver­nünftige Entscheidungen treffen

Hinzutreten müssen vielmehr weitere Umstände, welche dazu führen, dass im Einzelfall die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit des Patienten hinsichtlich der konkreten Maßnahme ausgeschlossen ist. Es geht bei der Beurteilung der Einwilligungsfähigkeit immer um die Einwilligungsfähigkeit in eine ganz konkrete Maßnahme in der ganz konkreten Situation. So kann beispielsweise die Einwilligungsfähigkeit eines geistig behinderten Patienten für eine Blutabnahme vorliegen, für eine komplexere Maßnahme wie eine komplizierte Operation aber nicht. Bei einem dementen Patienten kann zu einem bestimmten Zeitpunkt die Einwilligungsfähigkeit für einen medizinischen Eingriff nicht gegeben sein, in einem lichteren Moment an einem anderen Tag dagegen schon.

Die Einwilligungsfähigkeit ist außerdem nicht abhängig davon, ob der Patient dem Rat des Arztes folgt. Patienten haben ein Recht auf unvernünftige Entscheidungen. Nur weil eine Entscheidung aus ärztlicher Sicht unvernünftig ist, ist der Patient deshalb nicht gleich einwilligungsunfähig. Wichtig: Auch die Bestellung eines rechtlichen Betreuers führt für sich genommen nicht zum Verlust der Einwilligungsfähigkeit, auch dann nicht, wenn die Gesundheitssorge zu seinem Aufgabenkreis gehört. Die Unfähigkeit, in eine Behandlung einzuwilligen, muss trotzdem im jeweiligen Einzelfall konkret festgestellt werden. Das gilt auch für den Fall, dass der Patient eine Vertrauensperson bevollmächtigt hat.

Einwilligungsfähigkeit richtig beurteilen

Folgende Anhaltspunkte können laut den „Hinweisen und Empfehlungen der Bundesärztekammer (BÄK) zum Umgang mit Zweifeln an der Einwilligungsfähigkeit bei erwachsenen Patienten“ auf eine eingeschränkte oder fehlende Einsichtsfähigkeit hinweisen: Der behandelnde Arzt hat den Eindruck, dass der Patient trotz adressatengerechter Aufklärung nicht in der Lage ist,

  • die vermittelten Informationen in Grundzügen zu verstehen,
  • wesentliche Informationen mit eigenen Worten wiederzugeben,
  • sich der möglichen Folgen der Erkrankung oder der vorgeschlagenen Maßnahme für die eigene Lebensführung und Lebensqualität bewusst zu sein,
  • eine der Situation angemessene Einsicht in die Natur der eigenen Erkrankung zu haben,
  • sich der Schwere der eigenen Erkrankung und des Ausmaßes der Behandlungsbedürftigkeit bewusst zu sein.

Um dies abzuklären, können Ärzte den Patienten beispielsweise darum bitten, die wesentlichen Informationen noch einmal zu wiederholen.

Mögliche Hinweise auf eine eingeschränkte Steuerungsfähigkeit des Patienten sind laut BÄK: Der behandelnde Arzt hat den Eindruck, dass der Patient trotz adressatengerechter Aufklärung nicht in der Lage ist,

  • das Für und Wider der vorgeschlagenen Maßnahme gegeneinander abzuwägen,
  • die diesbezüglichen Überlegungen mit persönlichen Werthaltungen und Überzeugungen in Bezug zu bringen,
  • eine der Situation angemessene affektive Beteiligung am Entscheidungsprozess zu zeigen,
  • eine Entscheidung zu treffen und verständlich zu kommunizieren,
  • Impulse, Zwänge oder Ängste, die ihn daran hindern, die getroffene Entscheidung umzusetzen, zum Ausdruck zu bringen und zu kontrollieren,
  • die eigene Entscheidung gegenüber widersprechenden Meinungen anderer zu behaupten.

Ärzte können hier nachfragen, welche Folgen die Behandlung hat, welche Entscheidung der Patient getroffen hat und aus welchen Gründen.

Hat der behandelnde Arzt an der Einwilligungsfähigkeit eines Patienten begründete Zweifel, kann er nicht mehr ohne Weiteres davon ausgehen, dass die Zustimmung des Patienten zur Behandlung eine wirksame Einwilligung darstellt. Doch was nun?

Ist es möglich, mit der Behandlung zu warten, sollte der Arzt diese Möglichkeit wählen und den Patienten zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal entscheiden lassen. Dies kommt dann in Betracht, wenn der Zustand des Patienten, wie etwa bei einer Demenz oder einer bipolaren Störung, fluktuierend ist und Aussicht auf eine zumindest zeitweilige oder phasenweise Besserung besteht.

Manchmal muss das Betreuungsgericht eingeschaltet werden

Hat der Patient einen Vertreter, einen Gesundheitsbevollmächtigten oder einen rechtlichen Betreuer mit dem Aufgabenkreis Gesundheitsangelegenheiten bestellt, muss dieser laut den Empfehlungen der BÄK einbezogen werden. Lassen sich die Zweifel an der Einwilligungsfähigkeit des Patienten nicht mithilfe der genannten Möglichkeiten ausräumen und hat der Patient keinen Vertreter, sollte die Einwilligungsfähigkeit weiter abgeklärt werden, etwa durch einen Psychiater. In diesem Fall sollte auch das Betreuungsgericht informiert werden, damit es gegebenenfalls einen rechtlichen Betreuer bestellen kann. Kann nicht gewartet werden, können Ärzte auf eine eventuell vorhandene Patientenverfügung zurückgreifen. Gibt es diese nicht oder ist sie nicht einschlägig, sollten Ärzte gemeinsam mit dem Vorsorgebevollmächtigten oder dem Betreuer sowie den Angehörigen den mutmaßlichen Willen des Patienten ermitteln.

Einwilligungsfähigkeit von Jugendlichen
Zwei aktuelle Entscheidungen
Ob Jugendliche wirksam in eine ärztliche Behandlung einwilligen können, ist immer wieder Gegenstand rechtlicher Auseinandersetzungen. Erst jüngst entschied das Oberlandesgericht Dresden, dass sich Eltern bei einer Corona-Schutzimpfung nicht ohne Weiteres über den Willen einer 14-Jährigen hinwegsetzen dürfen (28.01.2022, Az. 20 UF 875/21). Zwar vertrat das Gericht die Auffassung, dass die Entscheidungsbefugnis regelmäßig auf den Elternteil zu übertragen sei, der sich in Übereinstimmung mit den Empfehlungen der STIKO befindet. Dieser Grundsatz gelte aber nur, wenn der Jugendliche nicht ausdrücklich andere Vorstellungen äußere. Das Mädchen hielt das Gericht hier für einwilligungsfähig. Führe die Aufklärung der Tochter dazu, deren bisher eher skeptische Haltung gegenüber einer Impfung zu verstärken, so sei dies zu akzeptieren.In einem anderen Fall ging es um die Frage, ob eine 16-Jährige in einen Schwangerschaftsabbruch wirksam einwilligen kann. Während ihr Vater damit einverstanden war, verweigerte die ebenfalls sorge­berechtigte Mutter die Unterzeichnung einer Einverständniserklärung. Das Oberlandesgericht Hamm entschied, dass die 16-Jährige auch ohne Zustimmung ihrer sorgeberechtigten Mutter die Schwangerschaft abbrechen durfte, da sie nach ihrer geistigen und sittlichen Reife die Tragweite dieses Eingriffs erfassen und ihren Willen hiernach ausrichten konnte (19.11.2019, Az. 12 UF 236/19).

Ina Reinsch

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