Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Praxis
Inhaltsverzeichnis

Zwei Rezepte liegen auf dem Empfangstresen bereit, um sie in der Apotheke einlösen zu lassen. Die MFA händigt allerdings versehentlich die falschen Rezepte an die jeweiligen Patienten aus. Die Betroffenen merken den Irrtum erst in der Apotheke, als sie nicht ihre verschriebenen Medikamente in den Händen halten.

Beide suchen anschließend die Praxis wieder auf und beschweren sich. Das Praxisteam fällt aus allen Wolken, da die zuständige MFA den Vorfall verheimlicht hat.

Vertuschen eines Fehlers in der Arztpraxis kann Konsequenzen nach sich ziehen

Solche Situationen können im Praxisalltag vorkommen – gerade, wenn es besonders stressig zugeht. Etwa weil große Patientenströme zu bewältigen sind, während das Telefon weiter unaufhaltsam klingelt oder das Praxisverwaltungssystem nicht reibungslos funktioniert.

Im vorhin genannten Beispiel hat die MFA durch ihr Vertuschen der Praxis zusätzlichen Schaden zugefügt: Den Patienten bleibt der Fehler negativ im Gedächtnis haften, während es wahrscheinlich anders verlaufen wäre, wenn sie für ihr Versehen sofort eingestanden wäre.

Warum es wichtig ist, Fehler der MFA zu hinterfragen

Hier gilt es auch zu reflektieren, was dazu geführt hat, dass die MFA den Fehler verheimlicht hat. Hatte sie Angst vor den Konsequenzen? War der Arzt vielleicht selbst nachlässig und hat nicht genau erläutert, für wen welches Rezept bestimmt war? Oder sind die Praxisabläufe insgesamt verbesserungsfähig?

Die Gründe dafür, wie Fehler entstehen, sind vielfältig. Oft ist es auch eine Kette von Ereignissen, die am Ende dazu führt, dass eine Handlung nicht richtig ausgeführt wird.

Mit Fehlern arbeiten als Teil des Fehlermanagements

Fehler offen und vertraulich kommunizieren zu können, ist daher der erste Schritt, um eine offenere Fehlerkultur auch in Arztpraxen zu etablieren.

Wie das gelingen kann, beschreibt Dr. Nils Löber, der unter anderem jahrelang im klinischen Qualitäts- und Risikomanagement der Charité in Berlin tätig war, in seiner Publikation „Konstruktive Fehlerkultur in Krankenhaus und Praxis“.

Bezogen auf Praxisstrukturen sollte die Praxisführung ein Augenmerk darauf richten, der Handlungskompetenz ihrer Mitarbeiter zu vertrauen, und so die Möglichkeit eröffnen, kreativ und flexibel mit Fehlern umzugehen und aus ihnen zu lernen.

Dazu nennt Löber drei Stufen des Fehlermanagements:

  • Wissen: Erfolgreiche Anwendung von Maßnahmen des Qualitäts-, Risiko- und Fehlermanagements

  • Können: Bereitstellung der notwendigen Ressourcen für ein professionelles Fehlermanagement und Sicherstellung der entsprechenden Handlungskompetenzen aller Mitarbeiter

  • Wollen: Einstellungsorientierte Ausrichtung der Mitarbeiter auf Patientensicherheit

Eine vertrauenswürdige Fehlerkultur beruht hierbei auf Gegenseitigkeit: Auch Praxisinhaber sollten lernen, sich Fehler einzugestehen und an ihnen zu arbeiten.

Das ist nicht immer einfach – denn zum ärztlichen Selbstverständnis zählt auch, der Qualität und Sicherheit der Patientenbehandlung höchste Priorität einzuräumen und Patienten so vor vermeidbarem Leid zu schützen. Fehler können deshalb an eben diesem Selbstverständnis nagen.

So helfen Meldeplattformen bei der Fehlerbearbeitung

Um Fehler systematisch aufzuarbeiten, empfiehlt sich zum einen die Nutzung von CIRS. Die Abkürzung steht für „Critical Incident Reporting System“ und beschreibt ein Meldesystem, um Fehler, Beinahe-Fehler oder weitere Schadensfälle anonymisiert zu dokumentieren.

Das Sicherheitskonzept kommt in Hochsicherheitsbranchen wie zum Beispiel der Luftfahrt zum Einsatz und seit geraumer Zeit unter dem Titel „CIRSmedical“ auch im Gesundheitswesen – betrieben von der Bundesärztekammer.

Während CIRSmedical den ambulanten und stationären Sektor gleichermaßen abdeckt, gibt es weitere Internetangebote zum strukturierten Fehlermanagement, die ihren Schwerpunkt auf Arztpraxen legen.

Die Plattform „Jeder Fehler zählt“ ist als offenes Fehlerberichts- und Lernsystem für Hausarztpraxen konzipiert. Praxis­inhaberinnen und -inhaber können Fehler anonym melden und auch andere gemeldete Fehlerberichte lesen.

Das Konzept will so eine offenere Fehlerkultur im Praxisbetrieb fördern, da es auch Patientinnen und Patienten transparent zeigt, wie Praxen mit Fehlern umgehen und diese bewältigt haben. Erfahrungsberichte der Kollegen helfen somit bei Bedarf auch, die eigenen praxisinternen Abläufe anzupassen, um Fehler zu minimieren.

Wie Ärzte daraus zusätzlich lernen können

Hier befindet sich ein zusätzliches Ziel von „Jeder Fehler zählt“: Das Tool gibt Hausarztpraxen Strategien zur Fehlervermeidung an die Hand. Konkret beinhalten sie Tipps für reibungslosere Impfungen und Medikationen sowie Hinweise für telefonische Anfragen und zur Patienten-identifikation.

Außerdem werden mögliche Fehlerquellen bei Rezepten genannt. Ähnlich wie „Jeder Fehler zählt“ ist auch die Plattform „CIRSforte“ aufgebaut. E-Learning-Angebote, unterteilt in drei Online-Module, unterstützen die Praxen bei der Einrichtung eines Fehlermanagements.

Außerdem finden Praxischefs Handlungsempfehlungen sowie Vorlagen und Formulare zum Download. Die zwei genannten Systeme werden jeweils von einem breiten Netzwerk aus dem Gesundheitswesen unterstützt, sowohl vonseiten der Ärzteschaft als auch der Patientenvertretungen.